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Zuckererbse, Erbsensuppe, Futtermittel und veganer Burger: Die Nutzung war, ist und bleibt vielfältig


 

The sugar pease (...), the sweetest of all.
(John Woolridge 1677)

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In der älteren englischsprachigen Literatur wird vor allem zwischen Garten- und Felderbse unterschieden, die teilweise auch in die zwei Unterarten P. s. hortense und P. s. arvense eingeteilt werden (Wade et al. 1937, Hedrick et al. 1928), wenngleich die Variation innerhalb der Gartenerbse damals schon deutlich breiter gewesen sein dürfte. Woolridge (1677) zählt Rouncivals mit unterschiedlicher Samenfarbe, mehrere Sorten der Zuckererbse und Hotspurs auf. Hotspurs sind besonders schnellwüchsige Sorten, die, so der Autor, gesät im Mai, nach nur sechs Wochen geerntet werden können. Thomas Jefferson, einer der Verfasser der US-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und späterer Präsident der Vereinigten Staaten, baute Hotspurs in seinem Garten in Virginia an. Am 26. Februar 1778 schreibt er in sein Gartenbuch „sowed a patch of Hotspur peas“, am 14. März, „sowed Charlton and Early pearl peas ... peas of Feb. 26 just appearing“. Auch während seiner Zeit als Botschafter in Paris soll er laut Jeff Ishee, Gartenkolumnist des The News Leader aus Staunton, Virginia, ‘Charlton Hotspurs’ im Garten seiner Villa an der Champs-Élysées angebaut haben. Sicher ist, dass er zurück in den Vereinigten Staaten und nachdem er 1793 als amerikanischer Außenminister abgetreten war, an seinem Wohnsitz in Virginia 1974 unter „Objects for the garden this year“ zuallererst „Peas. Charlton, Marrow-fats, green for soup“ einträgt.

Benjamin Townsend, ein ehemaliger Gärtner des Lord Middleton beschreibt in seinem 1725 erstmals erschienenen Buch The Complete Seedsman geflügelte Erbsen mit scharlachroten Blüten, die er aber aufgrund ihres schlechten Geschmacks eher zu den Blumen pflanzen würde, spanische Morettos und weiße Rouncivals, die aufgrund ihres starken Wuchses auf jeden Fall gestängelt werden müssen, dann aber über Monate hinweg beerntet werden können, Kronenerbsen, die ihre Hülsen in Büscheln und nur am oberen Ende der Pflanze angeordnet haben und Hotspurs, die in einer deutschsprachigen Übersetzung als „kurze hitzige oder verliebte Erbsen“ beschrieben werden. Townsend gibt Empfehlungen für Herbst- oder Frühjahrsaussaaten und zu Ernte und Verwendung: reif für den Winter, grün für den Sommer oder auch Sorten, die wie Bohnen mitsamt der Hülse verzehrt werden können. Auch die schwarzäugige Form, die black eyed Marrowfats, beschreibt er erstmals (Townsend 1725).

Die ersten gezielten Züchtungen wurden in England im frühen 19. Jahrhundert von dem bereits oben erwähnten Thomas Andrew Knight erstellt. Aus den Sorten ‘Knight’s Tall Green Marrow’ und ‘Knight’s Dwarf Green Marrow’ sind im Laufe des 19. Jahrhunderts viele weitere Sorten entstanden. Ziel der Züchter war es, die Erträge zu steigern, aber auch hochwachsende Sorten, die Rankhilfen benötigen und kleine, runde Samen hatten, durch solche mit niedrigem Wuchs und großen runzligen Samen zu ersetzen (Hedrick et al. 1928). Obwohl es bereits vorher Landsorten mit niedrigem Wuchs und Marrowfats mit großen, runzligen Samen gab, waren die meisten Sorten wohl hochwachsend mit runden Samen. Tracy (1903) listet für das U.S. Department of Agriculture ca. 500 Sorten, darunter normalwüchsige, Halbzwerge und Zwerge mit sehr niedrigem Wuchs, Marrowfats mit runzligen Samen, Sorten für die Konservenindustrie mit runden Samen und Zuckererbsen. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts gewann die Resistenzzüchtung insbesondere die Züchtung von Sorten mit einer Resistenz gegen die Fusarienwelke an Bedeutung. Gleichzeitig spielte eine gleichmäßige Abreife der Hülsen eine zunehmende Rolle: zunächst insbesondere für die Produktion von Dosenerbsen, später auch für Tiefkühlprodukte (Wade 1937), obwohl es noch eine Weile dauern sollte, bis Gefriertruhen auch in Privathaushalten Verbreitung fanden.

Bei der Garten- oder Gemüseerbse werden aktuell die drei Varianten Palerbsen, Markerbsen und Zuckererbsen unterschieden. Palerbsen haben im reifen Zustand mehr oder minder runde Samen. Sie eignen sich sowohl für den Verzehr im unreifen als auch im reifen Zustand. Letztere werden Trockenspeiseerbsen genannt und haben im Anbau in Deutschland und Europa kaum Bedeutung. Genutzt werden können sie für Eintöpfe und als Erbsenpüree. Trockenspeiseerbsen haben in der Regel ein hohes Tausendkorngewicht und es kommen sowohl gelbe als auch grüne Samen vor. Sehr kleinkörnige Sorten mit grünen Samen werden unreif geerntet und als Dosenerbsen vermarktet. Markerbsen sind in Deutschland der Standard für die Gemüseerbsenproduktion und dürften neben Zuckererbsen auch in Hausgärten den Großteil aller Sorten ausmachen, obwohl zugleich Saatgut von Palerbsen angeboten wird. Markerbsen entsprechen den Marrowfats und auch bei den Rouncivals handelt es sich wahrscheinlich ebenfalls um großkörnige Markerbsen. Der Zuckergehalt von Markerbsen ist mit maximal 7 bis 9 % höher als der von Palerbsen (4 bis 5 %), woraus der deutlich süßere Geschmack resultiert. Der höhere Zuckergehalt der Markerbse geht zunächst mit einem höheren Wassergehalt einher. Das führt nach dem Wasserentzug zum typisch runzligen Erscheinungsbild reifer Samen (wrinkled seeded peas). Daneben ist die Stärkezusammensetzung anders: Markerbsen enthalten 65 bis 90 % Amylose, Palerbsen nur ca. 36 %, der Rest ist Amylopektin.

Die Bezeichnung Felderbse beschreibt traditionell Nutzungen, die heute unter dem Begriff Körnerfuttererbse oder einfach Körnererbse zusammengefasst werden. Ihre Hülsen galten als ungenießbar, die Samen als für die menschliche Ernährung geeignet, wurden aber in der Regel als Viehfutter genutzt (Hedrick et al. 1928). Während die sehr alten Landsorten kleinwüchsiger als die Gartenerbse waren, überwiegend violette oder rosa Blüten und eine breite Palette an unterschiedlichen Samenfarben hatten (Hale 1761), sind die in Deutschland angebauten Sorten heute alle weißblühend und haben meist gelbe Samen. Futtererbsen eignen sich nicht nur für die Ernte der proteinreichen reifen Samen, sie können im unreifen Zustand als Ganzpflanze zur Fütterung geerntet oder als stickstoffbindende Gründüngungspflanze angebaut werden, wobei die Nutzung des reifen Korns mit einem Eiweißanteil von 20 bis 25 %, einem Rohfettgehalt von 13 % und einem Stärkegehalt von 40 bis 50 % deutlich überwiegt. Der hohe Stärkegehalt ist eine Besonderheit der Erbse innerhalb der Hülsenfrüchte. Im Vergleich dazu enthält die Sojabohne bis zu 40 % Rohprotein, bis zu 20 % Rohfett und nur ca. 12 % Kohlenhydrate. Körnererbsen sind zwar in Deutschland die wichtigste zur Proteinergänzung für Futterzwecke angebaute Körnerleguminose, aber im Vergleich zum Import von Soja bzw. Sojaextraktionsschrot, dem Nebenprodukt aus der Gewinnung von Sojaöl, ist die Produktionsmenge eher gering.

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M. Reckling, ZALF

Obwohl sie prinzipiell für die Humanernährung geeignet ist, wird die Körnererbse in Deutschland zumeist in der Tierfütterung verwendet, da Gerichte, die mit reifen Erbsensamen zubereitet werden, bei uns keine größere Bedeutung haben. Der Trend zu vegetarischer und veganer Ernährung könnte das ändern. Bislang waren vor allem Soja- und Weizenproteine in Form von Tofu oder Seitan als Fleischersatz auf dem Markt, zunehmend wird Erbsenprotein eingesetzt. Die Burger-Patties von Beyond Meat sind das vermutlich bekannteste Beispiel, aber auch andere Hersteller ziehen nach: So enthält der fish-free tuna von Good Catch eine Mischung aus sechs pflanzlichen Proteinquellen, von denen die Erbse den Hauptanteil ausmacht. Iglo vermarktet unter der Produktlinie Green Cuisine vegane pulled „pork“ strips, Hackbällchen, Burger und veganes Hackfleisch mit einem Anteil an Erbsenprotein, der bei allen Produkten mindestens 60 % beträgt. Laut Bloomberg schätzt Henk Hoogenkamp, Proteintechnologieexperte und Beirat mehrerer Lebensmittelunternehmen, dass sich der Bedarf an Erbsenprotein bis 2025 vervierfachen wird. Die Körnerfuttererbse wird zur Proteinerbse für die Lebensmittelindustrie. Da gleichzeitig immer mehr Hersteller tierischer Nahrungsmittel dem Trend folgen, ihre Produkte als „gentechnikfrei“ zu kennzeichnen und dadurch von aus Übersee importiertem Soja auf Leguminosen und Rapsextraktionsschrot europäischer Produktion umgeschwenkt werden muss, ist zu erwarten, dass sich die Körnererbsenanbaufläche zukünftig auch unabhängig von Greening-Maßnahmen und anderen politischen Vorgaben erhöhen wird.

 

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