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Kulturpflanze des Jahres 2023


 

Roggen
(Secale cerale)

 

 

Flyer (pdf)

 

Pressemitteilung:
Kulturpflanze des Jahres 2023 – Roggen


Roggen ist nach Weizen und Gerste mit einem Flächenumfang von 588 000 ha oder 5 % der Ackerfläche die am dritthäufigsten angebaute Getreideart in Deutschland. Während in den 1950er Jahren Roggen, Weizen und Gerste jeweils zu ca. 30 % der Getreidefläche angebaut wurden, war die mit Weizen bestellte Fläche im Vergleich zum Roggen 2022 fast fünfmal so groß. Ein Grund hierfür sind veränderte Ernährungsgewohnheiten mit einer höheren Nachfrage nach Weißmehlprodukten. Der Pro-Kopf-Verbrauch an Roggenschrot und -mehl lag in Deutschland Anfang der 1950er Jahre noch bei 35 kg pro Kopf und ist seitdem auf nur 6,8 kg gesunken. Gleichwohl ist Deutschland mit einer Ernte von 3,1 Mio. t der größte Roggenproduzent in der EU und zusätzlich werden netto weitere 0,4 Mio. t importiert. Roggen wird in Deutschland heute aber nur zu ca. 25 % für die Herstellung von Backwaren angebaut. Der weitaus größte Anteil von ca. 55 % wird als Futtermittel in der Tierernährung genutzt. Die restlichen 20 % dienen der Bioenergieerzeugung und weiteren industriellen Zwecken.

Roggen wird fast ausschließlich als Wintergetreide angebaut und ist besonders im Norden und Osten Deutschlands mit Schwerpunkten in den Bundesländern Brandenburg und Niedersachsen verbreitet. Dies ist auf die Anspruchslosigkeit des Roggens bezüglich der Standort- und Klimabedingungen zurückzuführen. Er hat im Vergleich der Getreidearten den geringsten Wasserbedarf während der Hauptwachstumsphase und ist damit zum Beispiel prädestiniert für die niederschlagsarmen Sandstandorte Brandenburgs. Roggen keimt schon bei geringen Temperaturen und er ist zudem die winterhärteste Getreideart, weshalb Polen und osteuropäische Staaten mit kontinental geprägtem Klima und den dafür typisch strengen Wintern zu den wichtigsten Produktionsländern zählen. In Österreich findet man Roggen insbesondere im ebenfalls kontinentalen, niederschlagsarmen Klima des Waldviertels.

Roggen hat ein vergleichsweise üppiges und tiefreichendes Wurzelsystem, wodurch nicht nur das Wasserangebot sondern auch Nährstoffe gut aus dem Boden aufgenommen und verwertet werden können. Darüber hinaus ist er toleranter gegenüber bodenbürtigen Fruchtfolgekrankheiten als Weizen. Zusammengenommen ist Roggen eine Kulturart, die risikoarm und ertragsstabil mit vergleichsweise geringen Inputs produziert werden kann. Diese Merkmale machten Roggen über viele Jahrhunderte hinweg zum wichtigsten Brotgetreide auf schwächeren und trockeneren Standorten. Dort wurde er häufig in Monokultur oder Einfelderwirtschaft angebaut, was teilweise noch heute aufgrund mangelnder wirtschaftlicher Alternativen betrieben wird. Auf einer Versuchsfläche der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg gibt es eine Parzelle, die seit 1878 durchgehend mit Roggen bestellt wird. Der „Ewige Roggenanbau“ genießt heute als ältester Dauerfeldversuch Deutschlands den Status eines Kulturdenkmals. Auch an der Versuchswirtschaft Groß-Enzersdorf der Universität für Bodenkultur Wien befindet sich seit 1906 eine solche „Ewigroggen“-Parzelle. Auf besseren Standorten wird Roggen oftmals nach Weizen angebaut, wodurch das Ertragspotential nicht ausgeschöpft werden kann. Dabei könnte Roggen gerade im Hinblick auf die steigenden Anbaurisiken durch den Klimawandel und die gestiegenen Restriktionen im Bereich des chemischen Pflanzenschutzes zukünftig wieder an Bedeutung gewinnen.

Kontakt:
Universität für Bodenkultur Wien
geschaeftsfuehrer.gpw@boku.ac.at

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
philipp.goetze@landw.uni-halle.de